Eine euthyreote Stoffwechsellage ist für einen ungestörten Verlauf der Schwangerschaft, vor allem aber für die neurologische Entwicklung des Feten und des Kindes post partum von zentraler Bedeutung. Eine maternale Hypothyreose kann bei der Schwangeren zu einer vermehrten Abortneigung, einem erhöhten Risiko für eine Präeklampsie, vermehrten postpartalen Blutungen und weiteren Störungen, beim Kind zu einer mentalen und/oder motorischen Retardierung, niedrigem Geburtsgewicht, erhöhter perinataler Sterblichkeit führen.
Schwangerschaft als Stresstest für die Schilddrüse
Während der Schwangerschaft steigt der Bedarf an Schilddrüsenhormonen (und entsprechend an Jod) um etwa 50% an. Eine gesunde Schilddrüse kann diesen Mehrbedarf decken, sofern eine ausreichende Jodversorgung gewährleistet ist. Frauen mit einer zuvor kompensierten Unterfunktion oder mit einem (latenten) Jodmangel entwickeln im Verlauf der Schwangerschaft jedoch häufig eine Hypothyreose.
Die durchschnittliche Jod-Aufnahme beträgt bei Erwachsenen zur Zeit in Deutschland ca. 150 µg/Tag und liegt somit an der unteren Grenze der WHO-Empfehlungen (>150 µg/Tag für nicht-Schwangere) [1]. Da schwangere Frauen einen täglichen Jodbedarf von etwa 250 µg/Tag haben, wird in der Schwangerschaft die zusätzliche Einnahme von 150 µg Jod pro Tag empfohlen [2, 3]. Dies gilt auch für Schwangere mit Autoimmunthyreoiditis [2].
TSH-Screening in der Frühschwangerschaft
TSH ist der sensitivste Parameter einer Schilddrüsenfunktionsstörung und als alleinige Untersuchung zu deren Ausschluss ausreichend. Ein generelles TSH-Screening im Rahmen der Mutterschaftsvorsorge wird derzeit jedoch nicht empfohlen.
Nach [2] wird ein TSH-Screening in der Frühschwangerschaft empfohlen bei:
Klinischem Verdacht auf Hyper- oder Hypothyreose | |
Schilddrüsenerkrankung in der Eigen- oder Familienanamnese | |
bestehender Struma | |
Alter > 30 Jahre | |
vorausgegangener Fehl- oder Frühgeburt | |
positivem SD-Antikörpernachweis (TPO-AK, TAK, TRAK, betrifft 10-20 % aller Schwangeren) | |
Z. n. Schilddrüsen-OP | |
Diabetes mellitus Typ 1 | |
Autoimmunerkrankungen | |
Z. n. Bestrahlung im Kopf-Hals-Bereich | |
BMI > 40 kg/m² | |
aktueller oder bis zum Eintritt der Schwangerschaft durchgeführter Therapie mit Amiodaron oder Lithium |
TSH-Normbereich in der Schwangerschaft
Bedingt durch die stimulierende Wirkung des hCG auf den TSH-Rezeptor kommt es während der Schwangerschaft zu einer physiologischen Erniedrigung des TSH-Spiegels. Hintergrund ist die Tatsache, dass die alpha-Kette des hCG-Moleküls mit derjenigen von TSH identisch ist. Nach den Empfehlungen der American Thyroid Association [3] liegt die Untergrenze des Normbereichs für TSH während der Schwangerschaft um etwa 0,2 mU/l unter derjenigen nicht-schwangerer Frauen, die Obergrenze um 0,5 – 1,0 mU/l. Besonders ausgeprägt ist der Effekt zwischen der 7. und 12. SSW, wenn die höchsten hCG-Werte vorliegen und bei Gemini-Schwangerschaften, die generell höhere hCG-Werte aufweisen.
Hypothyreose in der Schwangerschaft
Die Prävalenz der latenten Hypothyreose (TSH erhöht, fT4 normal) beträgt in der Schwangerschaft ca. 3 %, die der manifesten Hypothyreose (TSH erhöht, fT4 erniedrigt) ca. 0,4 %. Häufigste Ursache einer (latenten) Hypothyreose ist die Hashimoto-Thyreoiditis, gekennzeichnet durch erhöht nachweisbare AAK gegen thyreoidale Peroxidase der Schilddrüse (TPO-AK) und/oder gegen Thyreoglobulin (TAK).
Nach neueren Daten kommt auch die latente Form der Hypothyreose als Ursache der in der Einleitung genannten Schwangerschaftskomplikationen bei Mutter und Kind in Betracht. Eine latente Hypothyreose sollte daher bei Schwangeren nach derzeitigem Stand zumindest dann mit L-Thyroxin behandelt werden, wenn TPO und/oder TAK positiv nachweisbar sind [3]. In jedem Fall behandlungsbedürftig ist die manifeste Hypothyreose sowie Fälle der latenten Hypothyreose bei denen der TSH-Wert über 10 mU/l liegt [3].
Die initiale Dosis beträgt 50 μg L-Thyroxin pro Tag. Vier Wochen nach Therapiebeginn und nach jeder Dosisänderung von L-Thyroxin sollten TSH und fT4 kontrolliert werden. Ziel ist ein TSH-Spiegel von 0,5 – 2,5 mU/l [4 – 6]. FT4 sollte im trimester-spezifischen Normbereich liegen.
Ein isoliert erniedrigtes fT4 (bei normalem TSH) sollte nach derzeitigem Stand nicht behandelt werden [3].
T3-haltige Präparate oder Präparate aus porciner Schilddrüse sollten in der Schwangerschaft nicht eingenommen werden [3].
Wird eine Frau bereits präkonzeptionell wegen einer Hypothyreose behandelt, besteht bei den meisten Frauen bereits ab der 4. Woche ein Mehrbedarf an L-Thyroxin von 20 – 50 % [3, 7]. Entsprechend sollte mit Kenntnis der Schwangerschaft eine Dosisanpassung der Thyroxin-Therapie um 25 – 30 % erfolgen, um eine Hypothyreose in der Frühschwangerschaft zu vermeiden. In der Praxis kann dies aufgrund der langen Halbwertszeit von Thyroxin (ca. 5 Tage) z. B. durch die Einnahme von 9 statt 7 Tabletten L-Thyroxin pro Woche erfolgen, alternativ durch Umstellung auf ein höher dosiertes Präparat. Der TSH-Wert sollte bei diesen Patientinnen in der ersten Schwangerschaftshälfte alle vier Wochen kontrolliert werden, danach noch einmalig in der 26. – 32. SSW, um ggf. weitere Dosisanpassungen durchführen zu können [3].
Direkt nach der Entbindung sollte die Thyroxin-Dosis auf die präkonzeptionelle Dosis reduziert werden. Etwa 6 Wochen danach sollte eine erneute TSH-Kontrolle erfolgen [3].
Hyperthyreose in der Schwangerschaft
Häufigste Ursache einer hyperthyreoten Stoffwechsellage in der Schwangerschaft ist die sog. „Gestationshyperthyreose“. Diese ist definiert als vorübergehende Hyperthyreose, beschränkt auf die erste Hälfte der Schwangerschaft bei Abwesenheit von Antikörpern gegen Schilddrüsengewebe [3]. Sie kommt bei 1 bis 3 % aller Schwangerschaften vor und ist häufig mit einer Hyperemesis gravidarum vergesellschaftet. Ursache der Gestationshyperthyreose ist die Stimulation des TSH-Rezeptors durch das in dieser Phase der Schwangerschaft hohe ß-hCG. Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen der Höhe des ß-hCG-Spiegels und der Häufigkeit bzw. dem Schweregrad der Gestationshyperthyreose. Für die Diagnose „Gestationshyperthyreose“ sollte neben einem supprimierten TSH-Wert auch ein erhöhtes fT4 nachweisbar sein. Ein isoliert supprimiertes TSH ist, insbesondere bei sehr hohen ß-hCG-Werten, in der ersten Schwangerschaftshälfte meist ohne klinische Relevanz.
Hauptursache einer manifesten Hyperthyreose in der Schwangerschaft ist der M. Basedow. Seltenere Ursachen sind autonome Schilddrüsenadenome oder eine Hyperthyreosis factitia. Ein vorbestehender M. Basedow verschlechtert sich typischerweise im 1. Trimenon und bessert sich meist im 2. und 3. Trimester. Postpartal kommt es nicht selten zu einer Exazerbation der Hyperthyreose. Die verursachenden TSH-Rezeptor-Antikörper (TRAK) sind plazentagängig, daher kann eine Basedow-Hyperthyreose der Mutter auch beim Feten zu einer Hyperthyreose führen.
Die Unterscheidung zwischen einem M. Basedow und der Gestationshyperthyreose, die beide durch gemeinsame Symptome imponieren, erfolgt einerseits klinisch-anamnestisch (das Fehlen einer Struma und eines Exophthalmus weist auf das Vorliegen einer Gestationshyperthyreose hin), andererseits durch Bestimmung der TSH-Rezeptor-Autoantikörper (TRAK), welche bei einem M. Basedow in 98 % der Fälle erhöht nachweisbar sind. Bei einer Basedow-Hyperthyreose ist neben fT4 häufig auch fT3 erhöht, welches bei einer Gestationshyperthyreose meist noch im Normbereich liegt.
Therapie der Gestationshyperthyreose
Die Therapie der Gestationshyperthyreose erfolgt zumeist symptomatisch (z. B. antiemetische Therapie und Flüssigkeitsersatz bei Hyperemesis gravidarum). Thyreostatika sind allenfalls bei schweren Verlaufsformen kurzfristig indiziert. Bei ausgeprägten Symptomen einer Hyperthyreose kann gegebenenfalls eine vorübergehende ß-Blocker-Therapie (z. B. mit Propranolol) die Symptome mildern.
Therapie der Basedow-Hyperthyreose
Die symptomatische Basedow-Hyperthyreose macht zumeist eine Therapie mit Thyreostatika erforderlich. Die thyreostatische Therapie sollte dabei so niedrig wie möglich dosiert werden, da Thyreostatika plazentagängig sind und somit eine fetale Hypothyreose auslösen können. Außerdem sind Einzelfälle von Thyreostatika-induzierten Embryopathien beschrieben. Ziel ist ein mütterlicher fT4-Wert im oberen Normbereich oder leicht oberhalb der Norm, nicht das Erreichen eines normwertigen TSH. Unter thyreostatischer Therapie sollten TSH und fT4 initial alle 2 – 4, nach Erreichen einer guten Einstellung der Stoffwechsellage alle 4 – 6 Wochen kontrolliert werden.
Nach aktuellen Empfehlungen wird Propylthiouracil (PTU) als Thyreostatikum im 1. Trimester empfohlen, im zweiten und dritten Trimester Thiamazol [3]. PTU als Therapeutikum während der gesamten Schwangerschaft wird nicht empfohlen, da Fälle mit schwerwiegender Leberschädigung bei Mutter und Kind auf eine PTU-Gabe in der Schwangerschaft zurückgeführt werden. Thiamazol wiederum verursacht Missbildungen (Aplasia cutis und Choanal-/Ösophagusatresie), so dass auf dieses Medikament im ersten Trimester als Phase der Organogenese verzichtet werden sollte. Die Initialdosis von Thiamazol beträgt 10 – 15 mg, auf 1 – 2 Einzeldosen verteilt, diejenige von PTU 3 x 50 mg täglich [2, 3].
Zur symptomatischen Therapie kann vorübergehend ergänzend Propranolol (20 – 40 mg alle 8 Stunden) gegeben werden, bis hochnormale fT4-Werte erreicht sind. Auf eine längerfristige Gabe von ß-Blockern sollte in der Schwangerschaft wegen der Gefahr einer intrauterinen Wachstumsverzögerung und fetalen Bradykardie verzichtet werden.
Die Kombination von Thyreostatika und L-Thyroxin ist in der Schwangerschaft kontraindiziert [2, 3]. Eine chirurgische Therapie einer Basedow-Hyperthyeose ist während der Schwangerschaft nur sehr selten notwendig (mögliche Indikationen sind eine Allergie gegen Thyreostatika, Bedarf an sehr hohen Thyreostatika-Dosen, Incompliance bei der Medikamenten-Einnahme). Hierüber sollte interdisziplinär entschieden werden. Das zweite Trimenon ist der hierfür empfohlene Zeitraum.
Schwangere mit M. Basedow sollten vom Internisten/Endokrinologen mitbetreut werden.
Postpartalzeit
Nach der Entbindung muss bei Patientinnen, die bereits vor der Schwangerschaft eine Schilddrüsenhormonsubstitution erhalten haben, die Dosis auf das Niveau vor Konzeption reduziert werden, ca. 6 Wochen nach Dosisanpassung sollten TSH und fT4 kontrolliert werden [3].
Bei postpartaler Verschlechterung oder bei Rezidiv eines M. Basedow kann Thiamazol (5 – 20 mg/Tag) oder Carbimazol (5 – 15 mg/Tag) auch in der Stillzeit verabreicht werden, ebenso Propranolol zur symptomatischen Therapie.
Postpartum-Thyreoiditis
Eine Postpartum-Thyreoiditis (PPT) ist definiert als eine Schilddrüsenfunktionsstörung, welche im ersten Jahr nach Geburt eines Kindes bei zuvor euthyreoten Frauen auftritt. Sie verläuft oft klinisch asymptomatisch, teilweise imponiert sie klinisch als postpartale Depression.
Bei 20 – 30% der Patientinnen kommt es zu einer passageren Hyperthyreose, bei 40 – 50% zu einer vorübergehenden Hypothyreose und bei 25 – 35% zu einem biphasischen Verlauf mit zunächst hyperthyreoter Phase ca. 3 – 4 Monate postpartal, gefolgt von einer 3 – 8 Monate dauernden hypothyreoten Episode. Im Anschluss sind die Patientinnen in aller Regel wieder euthyreot.
Risikofaktoren für eine Postpartum-Thyreoiditis sind positive TPO-Antikörper, sonstige Autoimmunerkrankungen und eine Postpartum-Thyreoiditis in der Vorgeschichte.
Laborchemisch sind zumeist TPO- und/oder Thyreoglobulin-AK nachweisbar. Die TSH-Rezeptor-Antikörper (TRAK) sind negativ, sonographisch zeigt die Schilddrüse ein echoarmes oder inhomogenes Bild.
Klinisch hyperthyreote Patientinnen können symptomatisch mit Betablockern therapiert werden. Thyreostatika sind nicht indiziert.
Bei hypothyreoten Patientinnen besteht die Indikation zur Thyroxingabe bei einem TSH-Wert > 10 mU/l, bei ausgeprägter Klinik oder erneutem Kinderwunsch bei einem TSH-Wert > 4 mU/l [2].
Eine stattgehabte Postpartum-Thyreoiditis begünstigt die spätere Entwicklung einer Hypothyreose. Das Risiko liegt nach aktueller Studienlage bei 30 – 50 %. Daher sind im Anschluss TSH-Kontrollen in jährlichen Abständen angezeigt [2].
Literatur
[1] Iodine status worldwide, WHO report, im Internet abrufbar unter whqlibdoc.who.int/publications/2004/9241592001.pdf[2] Führer D: Schilddrüsenerkrankungen und Schwangerschaft. Der Internist 2011;52:1158-1168
[3] Alexander EK et al: Guidelines of the American Thyroid Association for the Diagnosis and Management of Thyroid Disease During Pregnancy and the Postpartum. Thyroid 2017;27:315-389
[4] Galofre JC, Davies TF: Autoimmune thyroid disease in pregnancy: a review.
J Womens Health. 2009;18:1847-1856
[5] Verga U et al.: Adjustment of L-T4 substitutive therapy in pregnant women with subclinical, overt or post-ablative hypothyroidism. Clin Endocrinol 2009;70:798-802
[6] Baker VL et al.: Correlation of thyroid stimulating hormone (TSH) level with pregnancy outcome in women undergoing in vitro fertilization. Am J Obstet Gynecol. 2006;194:1668-1674
[7] Mandel SJ: Thyroid disease in pregnancy. Endocrine Abstracts 2007;13,S47