PVL-positiver S. aureus, caMRSA

Staphylococcus aureus

Staphylococcus aureus verursacht in erster Linie eitrige Haut- und Weichteil-infektionen (Impetigo contagiosa, Follikulitis, Furunkel, Karbunkel), aber auch Abszessen in inneren Organen, lebensbedrohliche Septikämien und Atemwegsinfektionen. Der Mensch stellt das Reservoir für S. aureus dar; der Erreger wird in erster Linie durch Hautkontakt (Hände!) von Mensch zu Mensch übertragen. Ungefähr 20–-40 % aller Menschen sind mit S. aureus zumindest passager nasal besiedelt. Meist handelt es sich dabei um wenig pathogene und wenig virulente Stämme.

Panton-Valentine-Leukozidin (PVL)

Seit Anfang der 2000er Jahre werden auch in Deutschland Stämme von S. aureus nachgewiesen, welche im Unterschied zu den herkömmlichen Stämmen einen speziellen Pathogenitätsfaktor aufweisen: Das sog. Panton-Valentine-Leukozidin (PVL) ist ein porenbildendes Toxin welches dem Erreger zur Abtötung von Granulozyten und Makro-phagen dient und damit den für die Staphylokokkenabwehr wesentlichen Teil der Abwehrfunktion des Körpers  erheblich  beeinträchtigt.

Das PVL-Toxin wird durch Bakteriophagen übertragen und wurde bereits 1894 von van der Velde beschrieben (van de Velde H. Etude sur le mécanisme de la virulence du Staphylocoque pyogène. La Cellule 1894; 10:401–60). Panton und Valentin stellten 1932 den Zusammenhang zwischen Toxin und Erkrankung her (Panton PN, Valentine FCO. Staphylococcal toxin. Lancet. 1932;1:506–8.)

Erkrankungsbild

Klinisch manifestiert sich die Infektion mit PVL-positiven Staphylococcus-aureus-Stämmen in erster Linie in Form von rezidivierenden tiefen Haut- und Weichteilinfektionen, oft ohne ausgeprägte Eiterbildung oder erkennbare Eintrittspforte. Wesentlich seltener kommt es zu nekrotisierenden Pneumonien mit hoher Letalität.

Epidemiologie

Wenn das PVL-Gen in S.-aureus-Stämme mit Methicillin-Resistenz (MRSA) integriert wird, verbindet sich die ausgeprägte Virulenz mit einer hochgradigen Antibiotikaresistenz. Solche Stämme werden als community acquired MRSA (cMRSA, caMRSA) bezeichnet, da sie im Gegensatz zu den herkömmlichen MRSA-Stämmen auch außerhalb des Hospitalmilieus auftreten und verbreitet werden. Erstmals wurden caMRSA Ende der 90er Jahre in Michigan (USA) beschrieben, wo ungewöhnlicherweise MRSA-Stämme bei Kindern und anderen Personen ohne vorherigen Kontakt zu medizinischen Einrichtungen isoliert wurden.

In den USA überwiegt ein Klon von caMRSA (sog. USA 300 Klon), der sich innerhalb weniger Jahre über das ganze Land ausgebreitet hat und heute in den USA insbesondere bei Kindern zu den wichtigsten Verursacher von rezidivierenden Weichteilinfektionen gehört. Weltweit wurden verschiedene caMRSA-Klone registiert. Auch in Deutschland wurden mehrere caMRSA-Klone identifiziert.

PVL-positive S. aureus im Untersuchungsgut unseres Labors stammen vorwiegend aus dem ambulanten Bereich. Dabei handelt es sich sowohl um MRSA (caMRSA) als auch um MSSA.

Von 2020 bis 2023 haben wir bei 191 ambulanten Patienten aus der Region Stuttgart mit Haut-/Weichteilinfektionen und anamnestischem Hinweis auf Rezidivneigung bzw. charakteristischem MRSA-Antibiogramm die isolierten S. aureus-Stämme auf das PVL-Toxin-Gen untersucht:

46 von 70 Patienten (66 %) mit MRSA waren PVL-Gen positiv (caMRSA). 40 von 121 Patienten (33 %) mit MSSA waren PVL-Gen positiv. Insbesondere bei Abszessen der Achselhöhle wurden PVL-positive S. aureus-Stämme nachgewiesen.

Bei stationären Patienten konnten wir im o.g. Zeitraum nur in Einzelfällen PVL-positive Stämme nachweisen. Anhalt für eine nosokomiale Übertragung bestand in keinem der Fälle.

Therapie- und Präventionsmaßnahmen

Die ausgeprägte Morbidität, die hohe Rezidivneigung und das Risiko lebensbedrohlicher Komplikationen erfordern geeignete Maßnahmen zur Verhinderung einer weiteren Verbreitung der Erreger:

  • Screening auf MRSA und ggfg. caMRSA bei Risikopatienten im stationären Bereich
  • Abstrichentnahme zur Untersuchung auf PVL-positive S. aureus bei Abszessen der Achselhöhle, bei rezidivierendem Auftreten von Abszessen an anderen Körperstellen oder bei familiärer Häufung von Haut- und Weichteilinfektionen
  • Umgebungsuntersuchungen hinsichtlich Trägerstatus auch im ambulanten Bereich (Familienmitglieder): Abstriche von Nase und Rachen.
  • Kombination von infektspezifischer Therapie und Sanierung des Trägerstatus
  • Information der Betroffenen und ihrer Angehörigen über geeignete Hygienemaßnahmen

PVL-Nachweisverfahren im Labor Enders:

Anzucht von S. aureus aus einem Abstrich (bakteriol. Transportmedium). Nachweis des PVL-Gens aus dem Kulturmaterial mittels Hybridisierung.