Zytomegalie (CMV-Infektion) in der Schwangerschaft

Fachinfo

Nach einer Infektion mit dem Zytomegalievirus (CMV) treten bei immunkompetenten Menschen – einschließlich Schwangeren – meist keine oder nur unspezifische Symptome auf. Bei Patienten mit einem geschwächten Immunsystem, extrem Frühgeborenen und pränatal infizierten Kindern sind aber schwere Krankheitsverläufe möglich.

Kongenitale CMV-Infektion (cCMV-Infektion)

Nach Schätzungen werden in Deutschland jährlich etwa 3.000 bis 4000 Kinder mit einer kongenitalen/pränatalen CMV-Infektion geboren. Bei Geburt ist die Mehrzahl (etwa 90 %) asymptomatisch. Etwa 10-14 % dieser Kinder entwickeln aber später noch Langzeitschäden (vor allem Hörstörungen). Bei symptomatischen Neugeborenen treten in 40-60 % der Fälle Langzeitschäden unterschiedlichen Schweregrades auf (z. B. Schwerhörigkeit, neurologische Entwicklungsstörungen).

Risiko in der Schwangerschaft

Bei Schwangeren verläuft die CMV-Infektion häufig asymptomatisch. Das Risiko für die Übertragung des Virus von der Mutter auf den Fetus ist bei einer CMV-Primärinfektion im 1. Trimenon geringer (etwa 35 %) als im 3. Trimenon (ca. 60-70 %). Allerdings ist das Risiko für kindliche Schädigungen bei fetaler Infektion im 1. Trimenon am höchsten. CMV persistiert (wie alle Herpesviren) nach einer Infektion lebenslang im Körper und kann später wieder aktiv werden (Reaktivierung). Auch eine Reinfektion (Ansteckung mit einem anderen CMV-Virusstamm) ist möglich. Durch eine CMV-Reaktivierung oder Reinfektion kann es auch bei präkonzeptionell CMV-seropositiven Frauen zur intrauterinen Übertragung von CMV auf den Fetus kommen. Kindliche Schäden sind hier möglich, die Häufigkeit aber unklar. Insgesamt haben Schwangere mit seronegativem CMV-Antikörperstatus im 1. Trimenon ein 4-6 fach höheres Risiko für die Geburt eines CMV-infizierten Kindes als Schwangere, die zu diesem Zeitpunkt CMV-seropositiv sind (je nach Studie: 2,8 vs. 0,5 % bzw. 0,86 vs. 0,2 %) .

Ansteckungsrisiko für Schwangere

In Deutschland beträgt die CMV-Seronegativrate bei Frauen im gebärfähigen Alter etwa 55 %. Eine Ansteckung mit CMV setzt einen längeren und engen Kontakt mit CMV-haltigen Körperflüssigkeiten z. B. Speichel, Urin, Tränensekret (direkter Kontakt zu CMV-ausscheidenden Kleinkindern) oder Genitalsekret (Sexualkontakt) voraus.

Prävention durch Hygiene

Eine CMV-Impfung ist nicht verfügbar. Studien zeigen bei seronegativen Frauen eine Senkung des Infektionsrisikos durch Hygieneberatung. Kleinkinder stellen generell eine mögliche Infektionsquelle für CMV, aber auch andere Erreger, dar. Daher sollten Schwangere bei engem Kontakt zu Kleinkindern einfache Hygieneregeln beachten:

  • Kinder nicht auf Mund/Wange küssen
  • Händehygiene mit Seife und warmem Wasser
  • Keine Essensreste der Kinder verzehren
  • Keine gemeinsame Benutzung von Zahnbürsten, Gläsern, Besteck, Schnuller, Handtücher, …
  • Regelmäßige Reinigung von Spielzeug und Oberflächen

Optionen bei Diagnose einer CMV-Primärinfektion:

  • Es gibt keine generelle evidenzbasierte Therapieempfehlung. Bei Feststellung einer akuten CMV-Primärinfektion kann eine Off-label Behandlung (Sekundärprävention) mit CMV-Hyperimmunglobulin (HIG) oder Valaciclovir erwogen werden. Im Hinblick auf aktuelle Studien ist der Einsatz von Valaciclovir der Gabe von HIG vorzuziehen. Ziel ist es, das Risiko einer Übertragung der CMV-Infektion auf den Fetus zu senken.
  • Engmaschige Ultraschall-Kontrollen Degum 2/3, ggf. invasive Pränataldiagnostik erwägen
  • CMV-Diagnostik beim Neugeborenen

CMV-Diagnostik

Wann sollte eine CMV-Diagnostik in der Schwangerschaft erfolgen?

  • Auffällige Befunde oder Symptome bei der Schwangeren (z.B. Lymphknoten-Schwellung, Hepatitis, Thrombozytopenie). Allerdings verläuft die Infektion häufig asymptomatisch.
  • Auffällige Ultraschall-Befunde, die auf eine fetale CMV-Infektion hindeuten.

Bei begründetem Verdacht auf eine akute Infektion ist die Bestimmung der CMV-Antikörper eine Kassenleistung. Fällt der CMV-IgG- und IgM-Antikörperbefund positiv aus, werden weitere Teste zur Eingrenzung des Infektionszeitpunktes (IgG-Avidität, gB2-spezifische IgG-Ak) durchgeführt.
Untersuchungsmaterial: EDTA-Blut und Serum (jeweils 2-3 ml)

Nach Diagnose einer akuten CMV-Primärinfektion und/oder bei Nachweis fetaler Ultraschall-Auffälligkeiten im Verlauf: ggf. invasive Pränataldiagnostik erwägen.
Untersuchungsmaterial: Fruchtwasser (4-5 ml), evtl. Fetalblut (EDTA, 2-3 ml)

Wann sollte das Neugeborene auf CMV untersucht werden?

  • Bei V.a. bzw. Nachweis einer CMV-Primärinfektion in der Schwangerschaft
  • Bei V.a. bzw. Nachweis einer CMV-Infektion beim Fetus (auffällige fetale Ultraschall-Befunde, positiver CMV-Erregernachweis im Fruchtwasser und/oder Fetalblut)
  • Bei “CMV-verdächtigen” Symptomen beim Neugeborenen, z. B. auffälliges Hörscreening bei Geburt

Um eine pränatale (intrauterine, kongenitale) CMV-Infektion beim Neugeborenen zu bestätigen bzw. sicher auszuschließen, sollte der (semi-)quantitative Erregernachweis aus Urin und Speichel möglichst kurz nach Entbindung erfolgen.
Bei einer späteren Untersuchung auf CMV (nach der 2.-3. Lebenswoche) kann bei einem positivem Befund nicht mehr zwischen einer (risikobehafteten) pränatalen und einer frühpostnatalen CMV-Infektion differenziert werden. Letztere wird häufig über das Stillen erworben und stellt für gesunde Reifgeborene kein Risiko dar.

Untersuchungsmaterial:
Urin (5-10 ml, Abnahme innerhalb der ersten 10 Lebenstage), Speichel (Abstrich beider Wangeninnenseiten, Abnahme direkt nach Entbindung, Versand trocken oder in Virustransportmedium (grüne Kappe));
[Nabelschnurblut (EDTA), ggf. für quantitativen Erregernachweis bei positivem CMV-Nachweis im Urin/Speichel]

Wann und wie sollte der CMV-Immunstatus bestimmt werden?

Aktuell ist die CMV-Antikörperbestimmung als Screeninguntersuchung in der Schwangerschaft, (d.h. ohne begründeten Verdacht auf eine akute Infektion oder relevanten Kontakt) eine individuelle Gesundheitsleistung. Bei beruflich engem Kontakt zu Kleinkindern (z. B. Tätigkeit in der vorschulischen Kinderbetreuung) trägt der Arbeitgeber die Kosten der Immunstatus-Bestimmung.

Die CMV-Antikörpertestung sollte idealerweise vor einer gewünschten Schwangerschaft oder möglichst früh nach Feststellung einer Schwangerschaft erfolgen. Wir empfehlen zusätzlich zur IgG-Antikörper-Bestimmung auch die Testung auf IgM-Ak. So werden kürzlich erfolgte oder in der Frühphase (IgG neg, IgM pos) befindliche Primärinfektionen nicht übersehen.

Untersuchungsmaterial: 2-3 ml Serum

Empfehlungen für CMV-seronegative Schwangere

Schwangere mit negativem CMV-IgG-Ak-Befund sollten gezielt über Ansteckungsrisiken und die Expositionsprophylaxe durch Hygienemaßnahmen aufgeklärt werden.

Auf Basis aktueller Publikationen zur Risikoabschätzung empfehlen wir regelmäßige serologische Verlaufskontrollen (IgG und IgM) bis zum Beginn des 2. Trimenons bzw. zumindest eine Kontrolle zu diesem Zeitpunkt. Dadurch kann eine Primärinfektion im 1. Trimenon, dem Zeitraum mit dem „höchsten“ fetalen Schädigungsrisiko, ausgeschlossen werden. Regelmäßige Kontrollen (“CMV-Screening”) sind insbesonders dann sinnvoll, wenn im Fall der Diagnose einer Primärinfektion eine off-label Behandlung in Erwägung gezogen wird. Durch enge Kontrollabstände wird ein Behandlungsbeginn zeitnah zum Infektionszeitpunkt ermöglicht.

Bei allen weiterhin seronegativen Schwangeren, ist eine abschließende Kontrolle der CMV-IgG-Antikörper zu Beginn des 3. Trimenons sinnvoll. So werden auch CMV-Primärinfektionen im 2. Trimenon erfasst und das Neugeborene kann dann gezielt in den ersten 10 Lebenstagen auf CMV untersucht werden. Wird eine kongenitale CMV-Infektion festgestellt, kann das Hörvermögen des Kindes bis zum Schulalter regelmäßig überwacht werden.

Empfehlungen für CMV-seropositive Schwangere:

Schwangere mit positiven CMV-IgG-Antikörperstatus sind vor einer Primärinfektion geschützt. Sie haben aber ein “Hintergrundrisiko” von unter 1 % für eine cCMV-Infektion durch eine Reinfektion oder Reaktivierung. Wir empfehlen auch CMV-seropositive Schwangere zu Ansteckungsrisiken und Hygienemaßnahmen zu beraten, mit dem Ziel der Prävention von Reinfektionen. Jedoch gibt es aktuell keine Daten, die den Nutzen dieser Maßnahmen bei CMV-seropositiven Frauen belegen. Hygienemaßnahmen für alle Schwangeren, unabhängig von deren CMV-Serostatus, werden auch in anderen Ländern, z.B. von der Schweizer Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe empfohlen.

Zum Herunterladen:

–> zur Übersicht: Prä- und perinatale Infektionen


Auswahl unserer Publikationen/Beiträge zur CMV-Infektion:

Enders, M; Kagan, KO

Infektionen in der Schwangerschaft und bei Geburt Buchkapitel

In: von Kaisenberg, C; Klaritsch, P; Hösli-Krais, I (Hrsg.): Die Geburtshilfe, S. 399-446, Springer, Berlin, Heidelberg, 6. Auflage, 2024, ISBN: 978-3-662-63506-3.

Links

Daiminger, A; Beck, R; Exler, S; Bartelt, U; Enders, M

Performance of eight commercial immunoassays for the detection of cytomegalovirus-specific IgM antibodies in pregnancy - no test fits all needs Artikel

In: Journal of Clinical Microbiology, Bd. 62, Ausg. 4, S. e0140723, 2024.

Abstract | Links

Devlieger, R; Buxmann, H; Nigro, G; Enders, M; Jückstock, J; Siklós, P; Wartenberg-Demand, A; Schüttrumpf, J; Schütze, J; Rippel, N; Herbold, M; Niemann, G; Friese, K

Serial Monitoring and Hyperimmunoglobulin versus Standard of Care to Prevent Congenital Cytomegalovirus Infection: A Phase III Randomized Trial Artikel

In: Fetal Diagnosis and Therapy, Bd. 48, Ausg. 8, S. 611–623, 2021.

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Kagan, K O; Enders, M; Hoopmann, M; Geipel, A; Simonini, C; Berg, C; Gottschalk, I; Faschingbauer, F; Schneider, M O; Ganzenmueller, T; Hamprecht, K

Outcome of pregnancies with recent primary cytomegalovirus infection in first trimester treated with hyperimmunoglobulin: observational study Artikel

In: Ultrasound in obstetrics & gynecology, Bd. 57, S. 560-567, 2021.

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Exler, S; Daiminger, A; Grothe, M; Schalasta, G; Enders, G; Enders, M

Primary cytomegalovirus (CMV) infection in pregnancy: Diagnostic value of CMV PCR in saliva compared to urine at birth Artikel

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Kohmer, N; Nagel, A; Berger, A; Enders, M; Hamprecht, K; Korn, K; Kortenbusch, M; Überla, K; Rabenau, H F

Laboratory diagnosis of congenital CMV infection in newborns: Impact of pre-analytic factors Artikel

In: Journal of clinical virology : the official publication of the Pan American Society for Clinical Virology, Bd. 115, S. 32–36, 2019.

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Kagan, K O; Enders, M; Schampera, M S; Baeumel, E; Hoopmann, M; Geipel, A; Berg, C; Goelz, R; de Catte, L; Wallwiener, D; Brucker, S; Adler, S P; Jahn, G; Hamprecht, K

Prevention of maternal-fetal transmission of CMV by hyperimmunoglobulin (HIG) administered after a primary maternal CMV infectionin early gestation Artikel

In: Ultrasound in obstetrics & gynecology, Bd. 53, Nr. 3, S. 383–389, 2019.

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Enders, M

Zytomegalie in der Schwangerschaft: Frauenärzte im Netz Sonstige

2018.

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Modrow, S; Buxmann, H; Enders, M; Gembruch, U; Goelz, R; Hamprecht, K; Huzly, D; Kummer, P; Kagan, K O; Knuf, M; Mertens, T; Nennstiel-Ratzel, U; Roll, C; Wojcinski, M

Management der kongenitalen Zytomegalievirus-Infektion bei Neugeborenen Artikel

In: Frauenarzt, Bd. 59, Nr. 5, S. 394–402, 2018.

Chiaie, L Delle; Neuberger, P; Vochem, M; Lihs, A; Karck, U; Enders, M

No evidence of obstetrical adverse events after hyperimmune globulin application for primary cytomegalovirus infection in pregnancy: experience from a single centre Artikel

In: Archives of gynecology and obstetrics, Bd. 297, Nr. 6, S. 1389–1395, 2018.

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Kagan, K O; Enders, M; Hoopmann, M; Hamprecht, K

Behandlungsoptionen bei einer vorgeburtlichen CMV-Primärinfektion Artikel

In: Frauenarzt, Bd. 59, Nr. 11, S. 854–858, 2018.

Enders, M; Daiminger, A; Exler, S; Ertan, K; Enders, G; Bald, R

Prenatal diagnosis of congenital cytomegalovirus infection in 115 cases: a 5 years' single center experience Artikel

In: Prenatal diagnosis, Bd. 37, S. 1–10, 2017.

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Enders, G; Daiminger, A; Bäder, U; Exler, S; Schimpf, Y; Enders, M

The value of CMV IgG avidity and immunoblot for timing the onset of primary CMV infection in pregnancy Artikel

In: Journal of clinical virology : the official publication of the Pan American Society for Clinical Virology, Bd. 56, Nr. 2, S. 102–107, 2013.

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Buxmann, H; Stackelberg, O M; Schlosser, R L; Enders, G; Gonser, M; Meyer-Wittkopf, M; Hamprecht, K; Enders, M

Use of cytomegalovirus hyperimmunoglobulin for prevention of congenital cytomegalovirus disease: a retrospective analysis Artikel

In: Journal of perinatal medicine, Bd. 40, Nr. 4, S. 439–446, 2012.

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Enders, G; Daiminger, A; Bäder, U; Exler, S; Enders, M

Intrauterine transmission and clinical outcome of 248 pregnancies with primary cytomegalovirus infection in relation to gestational age Artikel

In: Journal of clinical virology : the official publication of the Pan American Society for Clinical Virology, Bd. 52, Nr. 3, S. 244–246, 2011.

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Dangel, V; Bäder, U; Enders, G

Improvement of cytomegalovirus avidity testing by adjusting the concentration of CMV-specific IgG in test samples Artikel

In: Journal of clinical virology : the official publication of the Pan American Society for Clinical Virology, Bd. 35, S. 303–309, 2006.

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Enders, G; Bäder, U; Bartelt, U; Daiminger, A

Zytomegalievirus- (CMV-) Durchseuchung und Häufigkeit von CMV-Primärinfektionen bei schwangeren Frauen in Deutschland Artikel

In: Bundesgesundheitsblatt, Gesundheitsforschung, Gesundheitsschutz, Bd. 46, Nr. 5, S. 426–432, 2003.

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Eggers, M; Bäder, U; Enders, G

Combination of microneutralization and avidity assays: improved diagnosis of recent primary human cytomegalovirus infection in single serum sample of second trimester pregnancy Artikel

In: Journal of medical virology, Bd. 60, Nr. 3, S. 324–330, 2000.

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Daiminger, A; Bäder, U; Enders, G

An enzyme linked immunoassay using recombinant antigens for differentiation of primary from secondary or past CMV infections in pregnancy Artikel

In: Journal of clinical virology : the official publication of the Pan American Society for Clinical Virology, Bd. 11, S. 93–102, 1998.

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